Ein Interview mit mir


Frage: Moin Frank. Magst Du Dich mal kurz vorstellen ?

Antwort: :-) Natürlich.
Meine Name ist Frank Segelke, ich bin 49 Jahre und bin seit fast 20 Jahren selbstständig im Bereich Web-Design / Web-Hosting.

Frage: Wie bist Du auf Scrum gekommen ?

Antwort: Die Anforderung an agile Arbeitsweisen häuften sich zunehmend und so habe ich durch Online-Recherche und Studium von verschiedenen Medien die ersten Eindrücke sammeln können. Die Arbeitsweise und vor allem die Ergebnisse fand ich sehr beeindruckend und so machte ich mich auf die Suche nach Möglichkeiten zur Weiterbildung. Leider habe ich das dann aufgrund der Projektarbeiten ein wenig aus den Augen verloren.

Erst Anfang 2015 fand ich durch Zufall einen alten Bekannten aus meiner Heimat über eine Business-Börse wieder, der wiederum bei einer Software-Firma arbeitete und genau zu der Zeit noch ein paar Lehrgangs-Plätze frei hatte für die Rollen "Scrum Master" und "Product Owner". Da sagte ich zu und informierte auch meinen damaligen Vorgesetzten, der sich auch spontan von dieser Idee begeistern ließ.

Frage: Du kommst aus der Rolle des Entwicklers. Warum liegt der Fokus nicht auf diesem Aufgabengebiet  ?

Antwort: Gleich vorweggenommen: Das Entwickeln macht immer noch sehr viel Spaß und wenn ich einmal dabei bin, dann mit Herzblut und allem was die Zeit hergibt. Als Scrum Master entwickle ich praktisch ja auch, indem ich die Teammitglieder unterstütze in ihrer Selbstorganisation. Zu sehen, wie ein Team zusammen wächst, Planungen exakt eingehalten werden können und die Motivation auf einem sehr hohen Level gehalten werden kann, da kann man schon wehmütig werden, dass man kein DEV-Mitglied ist.

Frage: Wie sieht das ideale Umfeld eines Scrum Masters aus Deiner Sicht aus ?

Antwort: Ideal ist immer fiktiv, aber wenn ich mir was wünschen könnte, dann eine identische Verständnis-Ebene von Management, Verantwortlichen und DEV-Team bezüglich Scrum.

Frage: Warum fällt es so vielen Firmen schwer, Scrum erfolgreich einzusetzen ?

Antwort: Weil hier immer noch sehr viele Menschen den Statusgedanken verfolgen. Man schmeißt Altbewährtes nicht einfach weg. Wobei es sich ja eigentlich gar nicht bewährt hat. Die meisten Projekte werden verzögert oder nicht in vollem Umfang fertiggestellt und haben dann noch diverse Kundenwünsche nicht berücksichtigt, Die Anwendung von Scrum erfordert ein Umdenk-Prozess, bei dem alte Verhaltensmuster radikal entsorgt werden müssen, um kein Konfliktpotenzial aufkommen zu lassen.

Frage: Welche Erfahrungen hast Du überhaupt mit Scrum gesammelt ?

Antwort: Das erste Mal bin ich im Frühjahr 2015 bei Textbroker mit Scrum in Berührung gekommen.

Die Unzufriedenheit im DEV-Team und im Management sowohl mit der Art und Weise der Entwicklungen als auch mit dem gelieferten Output schrie förmlich nach einer Prozessänderung. Gleichzeitig hatte ich die Möglichkeit, die Lehrgänge für Product Owner und Scrum Master zu absolvieren. Ich war zwar Mitglied des DEV-Teams, habe aber zusammen mit unserem Scrum-Master den Prozess erfolgreich etabliert. Es war schon beeindruckend, wie sehr sich die gesamte Arbeitsweise veränderte.

Ende 2016 kam dann in einem 4-wöchigen Pilotprojekt bei der Versatel die nächste Prozess-Umstellung auf mich zu. Ich war wieder als Frontend-Entwickler in einem 4-köpfigen DEV-Team. Nach 4 einwöchigen Sprints hatten wir einen sog. Trial fertiggestellt und mit Scrum einen agilen Arbeitsprozess eingeführt, was kaum einer für möglich gehalten hatte.

Ich habe dabei einen Großteil meines Scrum-Wissens weitergeben können, allerdings kam ich als Mitglied des DEV-Teams natürlich auch an meine Grenzen. So war die Rolle des Scrum Masters durch einen Mitarbeiter besetzt, der auch noch andere Funktionen in der Firma hatte und uns somit nur eingeschränkt zur Verfügung stand. So musste ich manchmal auch "mein Team" vor projektfremden Arbeiten schützen, die nicht im Sprint definiert waren. Da habe ich sehr eindrucksvoll feststellen können, dass ein Scrum Master schon eine gewisse Unabhängigkeit benötigt.

In den Retrospektiven waren immer die Vokabeln "Motivation", "Spaß" und "Erfolg" auf der positiven Seite. Natürlich wussten wir auch um etliche Verbessungspotenziale, aber wo ist keine Luft nach oben ?

Nach dem Jahreswechsel ging es erst mal 6 Wochen wieder in den "alten" Modus mit übrig gebliebenen Tickets aus anderen Projekten. Die Umstellung war schon heftig. Doch Mitte Februar ging es an die Weiterentwicklung des "Trials" mit Scrum. Die Begeisterung war bei allen zu spüren.

Frage: Wie schwer ist es, agile Arbeitsweisen zu etablieren ?

Antwort: Eigentlich ganz einfach. Das hängt allerdings sowohl vom Kenntnisstand der Stakeholder und Team-Mitglieder ab als auch von der Bereitschaft, alte Zöpfe abschneiden zu wollen.

Ich habe bisher noch nicht ein Team erlebt, welches von Scrum nicht profitieren konnte. Die meisten Hindernisse sind die störenden Einflüsse von außen. Daher ist es meiner Meinung nach ganz wichtig, alle Beteiligten auf diesen Prozess zu schulen. Wenn das geschafft ist, entsteht innerhalb des Scrum-Teams schon eine Eigen-Dynamik, die es in die richtige Richtung zu lenken gilt. Fehler werden auch beim Scrum-Prozess passieren, das ist menschlich. Allerdings werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit eher entdeckt und haben somit einen wesentlich kleineren Effekt.

Frage: Mal abgesehen von der Leidenschaft für Scrum, was möchtest Du Deinen zukünftigen Team-Mitgliedern vermitteln ?

Antwort: Das Wichtigste ist, Teamgeist zu leben und zu erleben. Die DEV-Team-Mitglieder sollten sich gegenseitig motivieren und lernen, Kritik so anzubringen, dass sie nicht demotivierend wirkt.

Boris Gloger, mein Scrum-Trainer, hat damals ein Beispiel mit Kindergarten-Kindern gebracht und dabei aufgezeigt, wie unterschiedlich Kritik aufgefasst werden kann, je nachdem wie man sie rüberbringt. Ein "Du machst das falsch" oder sonstiger strenger Tadel wirkt total demotivierend. Im Gegensatz dazu wird ein "Interessante Herangehensweise, aber Du könntest auch mal probieren, mit ... zur Lösung zu kommen" eher ein neuer Ansporn sein.

Fehler sind menschlich und viele Wege führen nach Rom. Wenn wir Fehler aber schneller erkennen, sie gemeinsam lösen, gemeinsam neue Strategien entwickeln und die Arbeit einfach wieder Spaß macht, werden wir zu ganz neuen Output-Leveln kommen.

Frage: Was hat Dich in der letzten Zeit am meisten fasziniert ?

Antwort: Die Umstellung auf Behaviour Driven Development. Häufig sind die Tester ja immer am Ende der Nahrungskette. Die Umstellung auf BDD hievt sie mit in die vordere Reihe. Wenn die Tester in Absprache mit dem PO die Szenarios aufgrund der Akzeptanzkriterien schreiben, werden die User-Stories besser. Das entlastet sowohl die Entwickler als auch die Tester. Letztere bekommen zum Ende der Entwicklung wesentlich "reifere" Software und können durch die Kenntnis der Anforderungskriterien wesentlich effektiver die Software auf Fehler prüfen. Aus meiner Sicht ein ebenso gewichtiger Vorteil ist die wesentlich engere Verzahnung des gesamten Teams. Man spürt förmlich, wie das "Miteinander" wächst. Die Motivation und Zufriedenheit der gesamten Team-Mitglieder erreichen ein komplett neues Level. Das ist schon "Gänsehaut"-Feeling.